Biography
born 1989 in Stuttgart
lives and works in Leipzig
born 1989 in Stuttgart
lives and works in Leipzig
(S) soloshow, T (two person show), (G) groupshow, (C) catalogue
Academy of Fine Arts (HGB), Leipzig
Prof. Ingo Meller
Sammlung Hildebrand, G2 Kunsthalle, Leipzig
Staatliche Kunstsammlung Dresden
Kunstmuseum Reutlingen
since 2015 Bistro 21
since 2008 part of Klasse 3h
Putz bröckelt von der Wand, doch das gleichfalls erprobt wie mühelos wirkende Schwenken des bauchigen Glases teilt mit, dass der Rotwein gut ist. Schon diese Geste zeigt mehr als tausend Worte, das minimal konstruierte Setting hinzugenommen könnte solch eine kurze Beschreibung den Stoff einer Romantrilogie bilden. Weil es unzählbare Kombinationen gibt, um Informationen zu einer Narration zusammenzufassen, ist es umso ärgerlicher, dass bei erzählender Malerei meistens an halbwegs realistische Figuren, die in einem lokalen, temporalen und/oder modalen Zusammenhang stehen, gedacht wird. Vielleicht wird ein Stillleben oder ein Interieur noch erzählend genannt, alles andere wird jedoch schnell als nicht-erzählerisch, kontextuell oder leider gleich als abstrakt, ungegenständlich, konkret bezeichnet. Dabei zeigen Literatur und Songs seit Jahrhunderten ständig, dass es darum geht, wie etwas erzählt wird, dass Narration sich aus Klängen, Fetzen, Fragmenten, Eindrücken zusammensetzt, dass Klang eine Erzählung bildet. Es sollte bekannt sein, dass das Wie dabei niemals bloß die technisch korrekte, handwerklich feine oder präzise Ausführung umfasst, sondern die Übertragung der Informationsmenge in einen passenden Sound münden muss und dass dieses Wie also mit einer Ansammlung von affizierenden, die Rezipienten bindenden Elementen des jewei- ligen Mediums, den passende Gestaltungsmittel aller couleur, zusammenfällt.
Dass Christian Bär erkannt hat, dass er nur einen mittelmäßigen Singer-Songwriter abgibt, ist für seine Gemälde eine vielgestaltige Bereicherung, denn aus diesem Bewusstsein heraus hat erzunächst lange an seinem Sound gearbeitet. Klar sollte der zeitgenössisch, vielfältig, eklektizistisch im guten Sinne sein, Romanze mit Ironie, Wohlstand mit Angst, Wohlfühlatmosphäre mit Wut verbinden. Nachdem er aus dem Vollen des letzten Jahrhunderts geschöpft hat, sich Optik und Ideen verschiedenster Epochen bedient und sie verarbeitet hatte, war da ein Klang in seinen Gemälden, frisch, fies, verspielt, manchmal frotzelnd und süffisant, manchmal aufklärerisch definierend, technoid und handgemacht in einem, ständig sich selbst suchend und gewiss, dass dieses Finden eines angemessenen Sounds seine künstlerische Arbeit ausmacht.
Das tut weh, Sirenen im Ohr, Lila klatscht auf Schwarz und wird von Mistbraun verdrängt, in Ockerbrei vermischt, Autolärm und dann dahinten nichts als das sanfte Rauschen des Stadtflusses im Stadtpark, ruhiges Dunkelblau auf Schwarz, sanft aufgetragenes Grau, innehalten, durchatmen und genießen, dann Fullspeed und im Helikopter über die endlosen Demonstrationen hinweg, Rotor krach, rote Schlieren und rosa Tropfen, Wortfetzen, Echos von Parolen oder Liebeserklärungen, zärtliches Grün auf grundiertem Stoff, vermittelnde Lasuren, eklige Pfützen aus terpentinverzerrtem Burgunderrot, eine Blüte entsteht, da ein Auflachen, die Pflanzen verwelken und alles in der richtigen Reihenfolge am richtigen Platz, rough arrangiert, stimmig komponiert.
Schon früher war ein Verweis auf Narration in Christian Bärs Gemälden zu finden, wenn auch manchmal nur in den Bildtiteln. In den neuen Arbeiten aber ist das Bekenntnis zur Aussage viel größer. Gegenständliche Zeichnungen lassen sich erkennen, Texte fliegen herum, Zitate aus anderen Bildern bleiben deutlich und dies verfügt nun darüber, dass jede Geste, Pinselspur, Farbpfütze und Kleckerei, jedes Rechteck und jeder Balken eine Rolle in der Erzählung bekommen. Offensichtliche Kontingenz der künstlerischen Praxis wird umgearbeitet zu einem geordneten Fluss klanglich interpolierter Elemente. Das ist klar eine abstrakte Erzählweise, lyrisches Denken und Schildern wird in diesen Gemälden gezeigt. Hier werden Aussagen vorbereitet, Informationen zu Plots verdichtet: Ich weiß, was Du gerade fühlst.
Die unzähligen Singer-Songwriter der lokalen Szene, die den Computer immer noch als etwas Anderes, als neues Werkzeug bestenfalls, ansehen und trotzdem versucht haben, irgendwie etwas vom Heute rüberzubringen, wurden der Bühne verwiesen. Kunstnebel und sporadisch-unerwartetes Strobo ist angeschaltet, hier wird jetzt eine Show gezeigt, in der jedes Effektgerät, Autotune über Rückkopplungs-Emulator bis Wah-Wah, seine Anwendung finden kann. Stück für Stück entwickelt sich ein Klangteppich, der es schaffen könnte, Teile von Allem zu thematisieren. Es gibt eben nowadays keine großen Erzählungen mehr, keine Wahrheiten, nur singuläre Informationshaufen, auf die sich Dank einzelner Narrationsangebote geeinigt werden kann. Wenn diese Angebote wie in den Gemälden Christian Bärs ästhetischen Regeln und nicht den jeweiligen ideologischen Grundsätzen folgen, können sie nicht nur speziell-anders die Welt zeigen und vermitteln, ihnen ist gleichfalls diplomatisches Vermögen inne. Malerei, vielleicht das Medium der Kontingenzdarstellung schlechthin, zeigt seit jeher, wie mit Informationen und Narrationen in der Gesellschaft umgegangen wird, welchen Stellenwert Beliebigkeit, also Mengen von unsortierten Informationen, und Wahrheiten, also verhandelte Narrationen, haben. Die Gemälde von Christian Bär haben einen Sound, mit dem sich die Stories von Jetzt, zwischen News-Feed, Verschwörungsmärchen, politischen Handlungsbedarf und moralischen Paradigmenwechseln, erzählen lassen. Sie fangen das diffuse Nebeneinander ein, fassen es zusammen und bereiten es so auf, dass sogar die Lücken und Gegensätze plötzlich verstehend genossen werden können.